Elmshorn auf dem Weg zu einer Fahrradstadt?

Zunächst einmal soll vorausgeschickt werden: Es gibt viele gute Ansätze und Maßnahmen in Elmshorn, die einen Schwerpunkt auf die Radverkehrsförderung legen. Verglichen mit anderen Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein wurde in den letzten Jahren in Elmshorn viel für den Radverkehr getan. Umso mehr erstaunt es, wieso viele Maßnahmen dann doch nicht konsequent umgesetzt werden und vor allem, wie wenig Beteiligung im Vorfeld erfolgt.




Beispiel Vormstegen

Es ist sehr begrüßenswert, dass der Radfahrstreifen Wedenkamp nach Abschluss der Ka­nalarbeiten über den Vormstegen mit einem Schutzstreifen weitergeführt wurde. So war es von Anfang an geplant, aber leider hört der Schutzstreifen jetzt unvermittelt vor dem Wechselplatz auf. Radler:innen wird zwar die Möglichkeit eingeräumt, auf den Gehweg zu wechseln (der Gehweg ist für Radfahrer:innen frei). Dort müssen sie jedoch nach der Straßenverkehrsordnung Schrittgeschwindigkeit fahren und – falls sie Richtung Ansgar­straße wollen – mehrere Ampelphasen überwinden. Die Bordsteinabsenkung, die auf den Gehweg überleitet, ist zudem sehr schmal (ca. 2 m) und somit für Lastenräder oder Rä­der mit Anhänger schwer anfahr­bar. Auch mit normalen Rädern muss die Absenkung schon sehr genau anpeilt werden, um störungsfrei auf den Gehweg zu wechseln. Nachts sollte man schon genau wissen, wo die schlecht erkennbare Absenkung ist.

Vormstegen






Absenkung zum optionalen Wechsel auf den Gehweg








Beispiel einer Querung beim Wechselplatz Richtung Ansgarstraße, wenn man den Geh­weg zur Weiterfahrt gewählt hat:

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Ampel 1 über den Rechtsabbieger ist grün. „Glück gehabt“

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Ampel 2, über die Westerstraße, zu spät die Bettelampel gedrückt, nur die Autos haben grün, ich muss einen Umlauf warten
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Ampel 3, wieder rot, nach einem Umlauf darf ich dann auch fahren












Natürlich kann man auch auf der Fahrbahn bleiben und sich in den Kfz-Verkehr einfädeln, aber das dürfte vielen Menschen ohne eine klare Zuweisung und Vorhaltung von Flächen schwerfallen oder sie verunsichern. Im Gegensatz zu anderen Stellen in Elmshorn, an denen die Schutzstreifen an der Kreuzung aufgelöst werden, gibt es hier im Vorfeld auch keine duale Lösung, die unsicheren Radler:innen von vornherein die Möglichkeit lässt, auf dem alten, nicht benutzungspflichtigen Radweg zu fahren.

Außerdem ist der Vormstegen im Zuge der Kanalarbeiten neu asphaltiert worden. Warum also konnte man hier nicht gleich eine zusammenhängende Lösung umsetzen und eine Aufstellfläche für den Radverkehr markieren? Jetzt gibt es wieder 2 Linksabbiegespuren, eine Geradeausspur und am Ende noch eine Rechtsabbiegespur für den Autoverkehr. Sehr viel Platz für Autos in einer Straße, die im Rahmen der Umgestaltung des Sanie­rungsgebietes Krückau Vormstegen später ohnehin nicht mehr als Haupttrasse für Pkw genutzt werden soll. Im Sanierungsgebiet werden derweil Provisorien gebaut und es ist zu erwarten, dass schon während der Bauphase weniger Fahrzeuge durch das Quar­tier fahren werden. Trotzdem wird lt. Medienberichten von der Stadtverwaltung begrün­det, die Aufstellflächen für Radfahrer:innen konnten nicht markiert werden, da sonst die Leistungsfähigkeit für die Kfz nicht mehr gewährleistet wäre. Dieses Argument ist aus unserer Sicht nicht stichhaltig, denn diese Leistungsfähigkeit bezieht sich außerdem – wenn über­haupt – nur auf wenige Stunden am Tag. Die Begründung der Stadtverwaltung ist beileibe kein Bekenntnis zu einer veränderten Mobi­lität im Sinne einer Radverkehrsför­derung.


Beispiel Schutzstreifen Lieth

Der Schutzstreifen Lieth ist in einer vergleichsweise engen Straße markiert worden. Das Veloroutenkonzept der Stadt Elmshorn sieht hier übrigens keine Schutzstreifen vor, son­dern empfiehlt neben nicht benutzungspflichtigen Radwegen einen Mischverkehr ohne Markierungen. Dennoch ist im Vorfeld keine ge­sonderte Beteiligung über die Maßnahme erfolgt. In der Straße Lieth sind die Schutz­streifen aufgrund der geringen Straßenbreiten und der Absicht, in einigen Abschnitten Flächen für den ruhenden Verkehr vorzusehen, manchmal zum Nachteil der Sicherheit der Radfahrer:innen unterbrochen. Nach der geltenden Straßenverkehrsordnung ist nicht nur das Parken, sondern auch das Halten auf den Schutzstreifen seit 2020 generell ver­boten, um genau das, was jetzt in der Straße Lieth durch die Unterbrechung geschaffen wurde, zu verhindern: Das notwendige und risikobehaftete Ausweichen des Radverkehrs in den fließenden Kfz-Verkehr.(Irritierend ist auch, warum die Schutzstrei­fen nicht bei den Haltestellen für die Busse, so wie es in den Richtlinien gefordert wird, unterbrochen sind)

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Unterbrochener Schutzstreifen Lieth

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legales Langzeitparken Lieth









Grundsätzlich kann zudem die Markierung von Schutzstreifen in engeren Straßenräumen durchaus kritisch gesehen werden. In der Straße Lieth beträgt die Breite der Kernfahr­bahn zwischen den Schutzstreifen ca. 4,50 m, das ist ein Maß, welches in Fachkreisen zu­nehmend in Frage gestellt wird. In den einschlägigen Richtlinien (ERA 2010 bzw. der RASt 2006) wird zwar von einer Mindest-Restfahrbahnbreite größer/gleich 4,50 Meter ausgegangen. Das ist aber nach Meinung vieler Fachleute ver­altet und nicht mehr mit den Verwaltungsvorschriften zur StVO vereinbar. Denn die Ver­waltungsvorschrift schreibt vor, dass eine Mitbenutzung der Schutzstreifen durch Kfz nur in seltenen Fällen erforder­lich sein darf. Wenn die Kernfahrbahn aber zu schmal ist, dann muss bzw. wird der Schutzstreifen nicht nur in seltenen Fällen (Lkw, Bus), sondern regelmäßig bei Begeg­nungen von Pkw befahren werden. In beiden Regelwerken (ERA und RASt 06) sind die Bemessungsfahrzeuge seit 30 Jahren unverändert klein. In der Praxis sind heutige Pkw jedoch leider viel breiter. Selbst ein Golf ist heutzutage einschließlich Außenspiegel über 2 m breit, und man muss bei Begegnungen die Bewegungs- und Sicherheitsräume be­rücksichtigen, da reicht die Restfahrbahnbreite von 4,50 Meter oft nicht aus. Daher wird in manchen Kommunen und Straßenbehörden mittlerweile als Planungsrichtlinie eine Mindestbreite von 5,0 m für die Kernfahrbahn zugrunde gelegt. Das entspricht auch den Empfehlungen einer Un­tersu­chung der UDV zur Sicherheit und Nutzbarkeit markierter Radverkehrsführungen aus dem Jahr 2019. Dort wird außerdem auch empfohlen, die Schutzstreifen als Regel­breite mit 1,85 m zu mar­kieren, und nur in begründeten Ausnahmefällen 1,50 m breite Schutz­streifen zu markie­ren. Diese Empfehlung unterstützen wir als ADFC- Ortsgruppe. Leider ist es nach wie vor so, dass viele Autofahrer:innen Schutzstreifen mit Radwegen oder Radfahrstreifen gleichsetzen und denken, die Leitlinie des Schutzstreifens sei ihre Be­grenzungslinie zu den Radler:innen. Die gesetzlich vorgeschriebenen 1,50 m Überholab­stände werden dann oft nicht eingehalten. Bei Mindestbreiten (1,50 m Schutzstreifen und 4,50 m Kernfahrbahn) kann es da sehr ungemüt­lich werden, wenn zu eng überholt wird. Die ERA und RASt 06 werden zurzeit überarbei­tet. Wir sind gespannt auf das Ergebnis und ob neue Empfeh­lungen zu den Mindestbrei­ten oder/und der notwendigen regelmäßi­gen Benutzung der Schutzsteifen durch Kfz bei beengten Verhältnissen ausgesprochen werden. Sicherlich wäre auch eine größere rechtliche Bandbreite zu Temporeduzierungen ein gutes Mittel um die Sicherheit zu erhöhen.
Insgesamt wäre natürlich ein besseres und sozialeres Miteinander im Straßenverkehr wünschenswert, dann wären viele Rege­lungen entbehrlich. In der Straße Lieth durfte man übrigens schon vor der Markierung der Schutzstreifen als Radfahrer:in auf der Fahrbahn fahren, die jetzige Markierung verdeutlicht das nur.


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Lieth (Begegnung Pkw/Pkw)

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Lieth (Begegnung Pkw/Pkw)









Da die Kreuzung am Heidmühlenweg/Hebbelstraße/ Lieth insgesamt neu asphaltiert wurde, ist es außerdem bedauerlich, dass in diesem Zuge nicht auch der Verlauf der Radwege entlang des Heidmühlenweges etwas begradigt wurde, um nicht mehr mit der weit abgesetzten Führung über die Kreuzung geführt zu werden und den Fuß- und Radverkehr dort besser zu trennen.


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Kreuzung Lieth/Heidmühlenweg, symbolische Darstellung einer begradigten Führung





Es soll nicht gesagt werden, dass alles schlecht ist, was in der Straße Lieth gemacht wor­den ist, wir hätten uns hier jedoch eine bessere Beteiligung und Alternativen in der Ent­schei­dungsfindung gewünscht. Die Maßnahme wurde nicht öffentlich diskutiert, sondern erst als sie schon in der Umsetzung war, als Mitteilung öffentlich bekanntgegeben.

Nachdem dieser Beitrag eigentlich schon fertig geschrieben war, begegnete uns ein neues Rätsel auf der Straße Lieth. So sind doch scheinbar die alten nicht benutzungs­pflichtigen Radwege nur in den Streckenabschnitten, in denen der Schutzstreifen unter­brochen ist, kürzlich in Teilstücken saniert worden. Was soll das bedeuten: Hier bitte zurück auf den Radweg und dann wieder ohne geschützte Aufleitung zurück auf den Schutzstreifen, oder ist das reiner Zufall? Besser wäre doch gewesen, in diesen Abschnitten – zumindest da wo die Schutzstreifen wegen der Enge der Fahrbahn unter­brochen sind – die weitere optionale Fahrbahnnutzung im Mischverkehr durch einfache Piktogrammketten, ergänzt durch ein Haltverbot, zu verdeutlichen, und nicht die ohnehin teilweise viel zu schmalen Gehwegflächen weiter zu verengen und dort den alten Radweg neu zu pflastern.

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Neu gepflasterter Radweg Lieth mit schmalem „Gehweg“












Aufgrund der Engstelle wäre bei dem oben gezeigten Beispiel bei einer Neupflasterung eine reine Gehwegfläche richtig gewesen (optional Radfahrer frei oder eine Markierung zur gemeinsamen Nutzung auf dem Gehweg). An diesem „ Nadelöhr“ konnten schon vorher Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Grundschule in Klein Nordende schlecht pas­sieren und auch Rollstuhlfahrer:innen und Menschen mit Gehhilfen haben viel zu wenig Platz. Bereits bei der Planung der Schutzstreifen konnte man sich fragen, warum nicht auf dieser Seite der einseitige Schutzstreifen markiert wurde, um hier im Rahmen der Gesamtmaßnahme die Situation für die Fußgänger:innen zu verbessern.

Leider wurde außerdem bei der Teilsanierung der Radwege der Sicherheitsstreifen zur Fahrbahn nicht baulich gekennzeichnet. Insbesondere in dem Abschnitt gegenüber Stü­ben wäre das ein wichtiges Element gewesen, da dort am Fahrbahnrand geparkt werden darf (Dooringzone).